08. Februar 2024
Europaparlament erteilt Vorsorge- und Verursacherprinzip eine Absage
Teilerfolg: Kennzeichnung und Rückverfolgbarkeit auch für neue Gentechnik Pflicht
Die Abgeordneten des Europäischen Parlaments haben am Mittwoch mit knapper Mehrheit für eine weitgehende Aufweichung der Regeln für die Freisetzung von Pflanzen gestimmt, die mit neuen Gentechniken (NGT) erzeugt wurden. Dazu erklärt BÖLW-Vorstandsvorsitzende Tina Andres:
„Obwohl mit NGT tiefgreifende Veränderungen in Pflanzen ausgelöst werden können, deren Konsequenzen für Mensch und Umwelt weitgehend unbekannt sind und gravierend sein können, will die Parlamentsmehrheit die Risikoprüfung von NGT-Pflanzen abschaffen und die ökologische und gentechnikfreie Produktion nicht durch Koexistenzregelungen schützen. Solche Regelungen würden gewährleisten, dass es auf Dauer möglich ist, landwirtschaftliche Produkte und Lebensmittel ohne Gentechnik zu erzeugen. Die Beschlüsse des Europäischen Parlaments treten das Vorsorgeprinzip – einen zentralen Eckpfeiler des europäischen Umwelt- und Verbraucherschutzrechts – aber auch das Verursacherprinzip mit Füßen. Während die Gentechnik-Industrie enorme Gewinne einstreicht, werden die Kosten für Maßnahmen zum Schutz der gentechnikfreien Produktion den Bio-Bauernhöfen und -Unternehmen aufgebürdet, die sich für den Erhalt einer gentechnikfreien Nahrungsproduktion stark machen, die sich über 90 Prozent der Verbraucherinnen und Verbraucher wünschen. Die Position des Parlaments würde das sogar noch verschärfen! Die Gentechnik-Anhänger im Europaparlament und anderswo nehmen auch weiterhin billigend in Kauf, dass durch eine Deregulierung von NGT die Zahl der Patente auf Saatgut, Pflanzen und Lebensmittel steigen würde, was neue Abhängigkeiten für die Züchtungswirtschaft, Bauernhöfe und Unternehmen und höhere Lebensmittelpreise für die Verbraucherinnen und Verbraucher bedeuten würde.
Ein Erfolg für das große Engagement von zahllosen Menschen und Unternehmen ist der Beschluss des Parlaments, dass NGT-Pflanzen – wie alle anderen gentechnisch veränderten Organismen (GVO) – über die gesamte Wertschöpfungskette bis zum Endprodukt gekennzeichnet werden sollen. Genau das will die Gentechnik-Lobby unbedingt verhindern und den Verbraucherinnen und Verbrauchern ihre Produkte heimlich unterjubeln. Auch eine verpflichtende Rückverfolgbarkeit hat das Parlament mehrheitlich beschlossen.
Ob oder wann die Beschlüsse des Parlaments zur Anwendung kommen, ist völlig offen, da sich die Regierungen der EU-Mitgliedstaaten bisher nicht auf ihre Position zur künftigen NGT-Regulierung als Verhandlungsgrundlage mit dem Europaparlament einigen konnten. Die Bio-Bewegung wird weiterhin für Regelungen kämpfen, die unsere natürlichen Lebensgrundlagen und die ökologische Lebensmittelerzeugung wirksam schützen. Statt weiter Unsummen in Gentechnik-Forschung zu verpulvern, die bisher nichts zu einem zukunftsfähigen Landwirtschafts- und Ernährungssystem beigetragen hat, ist es höchste Zeit, dass auf europäischer, nationaler und regionaler Ebene endlich die notwendigen Ressourcen für den Ausbau von Bio bereitgestellt werden!“
Mehr zu den Positionen und Forderungen des BÖLW zur Gentechnik finden Sie hier