14. März 2023
Kriegsfolgen in Europa: Agrar- und Ernährungspolitik mit Weitblick überdenken
Die Vereinigung Ökologischer Landbau in Hessen e.V. (VÖL) nimmt mit großer Sorge wahr, wie der Krieg in der Ukraine und dessen Folgen für die Weltwirtschaft als Begründung verwendet werden, ökologisch ambitionierte Ziele, wie die Farm to Fork Strategie, in Frage zu stellen.
Um die Folgen des Krieges hinsichtlich der globalen Lebensmittelversorgung so gering wie möglich zu halten, setzt sich die VÖL stattdessen dafür ein, dass die Agrar- und Ernährungspolitik in Deutschland und Europa mit Weitblick überdacht wird. Themen wie die Importabhängigkeit bei mineralischem Stickstoff, die enorme Ressourcenverschwendung, der Umbau der Tierhaltungssysteme sowie die verstärkte Förderung von nachhaltigen, ökologischen Landwirtschaftssystemen müssen dabei im Fokus einer sachlichen geführten Debatte stehen.
„Der Krieg in der Ukraine zeigt, wie stark die internationalen Agrarmärkte miteinander verknüpft sind: Der Ausfall der Ukraine, aber auch Russlands kann u.a. bei der Getreideversorgung in vielen Länder zu Engpässen führen.“ so Tim Treis, Sprecher der VÖL. „Natürlich gilt es sich nun über die landwirtschaftliche Produktion in Europa Gedanken zu machen – jedoch mit Bedacht und ohne Ängste zu schüren“. Hintergrund: Der hessische Bauernverband hatte in seiner Presserklärung vom 02.03.2022 dazu aufgerufen „die Versorgungssicherheit hierzulande viel stärker als bisher in den Blick nehmen“ und die Ausrichtung der Agrarpolitik auf den Prüfstand zu stellen: „Green Deal samt der dazugehörigen Farm-to-Fork-Strategie“.
Diesen Forderungen erteilt Treis eine eindeutige Absage: „Forderungen nach einer Intensivierung der landwirtschaftlichen Produktion in Deutschland und Europa mit der Versorgungssicherheit hierzulande zu begründen ist fachlich falsch und absolut nicht zielführend. In Deutschland liegen wir bei Kartoffeln (145%), Zucker (143 %), Fleisch (118 %), Milch (117%) und Getreide (101 %) über der reinen Selbstversorgung (Quelle: Bundesamt für Landwirtschaft und Ernährung). Hinzu kommt, dass bei allen Angaben zur Selbstversorgung völlig vernachlässigt wird, dass in Deutschland jährlich rund 12 Mio. Tonnen unserer Nahrungsmittel im Müll landet. Futtergetreide ist ein Thema, mit dem wir uns beschäftigen müssen –dabei sollte auch der Fleischkonsum sowie der Umbau der Tierhaltungssysteme zur Sprache kommen. Mitnichten geht Versorgungssicherheit automatisch mit einer Intensivierung der Landwirtschaft einher.“
Es ist erschütternd zu sehen, wie aufgrund der aktuellen Entwicklung reflexhaft eine Intensivierung der Landwirtschaft gefordert wird, die Grundfehler unseres Wirtschafts- und Ernährungssystems dabei aber komplett ausgeklammert werden. Tim Treis führt weiter aus: „Vielmehr als bei den Lebensmitteln sieht man die europäische Importabhängigkeit bei mineralischem Stickstoff, der unter enormem energetischem Aufwand in Russland und Belarus hergestellt wird. Wir müssen daher nicht mehr, sondern weniger mineralischen Stickstoff-Dünger einsetzen und das ist nur möglich, indem wir in den Fruchtfolgen Leguminosen besser integrieren. Dafür sollten weitere Anreize gesetzt werden“.
Abschließend stellt Treis klar: „Es kann doch nicht sein, dass der Krieg dafür instrumentalisiert wird Klima- und Artenschutz in Frage zu stellen. Als Landwirte und Landwirtinnen müssen wir uns den globalen Herausforderungen stellen und unserer Verantwortung gerecht werden: Ökologische Landwirtschaftssysteme sind die Antwort auf die Herausforderungen unserer Zeit – und nicht eine intensivere konventionelle Landwirtschaft.“
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